Der Wiesenthal der Hoden: Über "Post-Trauma"

Ein Israeli bumst eine Deutsche von hinten im Namen des jüdischen Volks. Treblinka und Sobibor verwandeln sich in ein Musical. Israelische Touristen pinkeln an den Reichstag und ein deutscher Polizist erlaubt ihnen, lächelnd damit fortzufahren. "Post-Trauma", eine Kooperation zwischen dem Habima Theater und einem deutschen Theater aus Düsseldorf, ist keine weitere Veranstaltung "dritter Generation", sondern eine gut präsentierte Provokation.

KULTUR
Von Sarit Fuchs, 8.1.2011, 11:34 Uhr, NRG Maariv

Ich habe, und dies lässt sich nicht leugnen, sehr gelacht. Ein schwarzes, wahnsinniges Lachen – kurz vor einer Hospitalisierung in der geschlossenen Abteilung. Die israelisch-deutsche Veranstaltung "Post-Trauma", eine Kooperation zwischen dem Habima Nationaltheater und dem Düsseldorfer Schaupielhaus, hat bei mir gewaltig auf die Drüsen zur "Schändung des Heiligen" gedrückt. Und das Heilige ist die Schoah. Doch am nächsten Morgen regte sich etwas Unbehagliches in mir in Bezug auf dieses Lachen. So als rühre die Ketzerei bereits an Verleugnung. Gut, nicht Verleugnung. Vergessen. Schabt an den Rändern des Vergessens. Nicht heute, aber vielleicht demnächst.

Eine Gruppe von Theaterautoren, vier Israelis und zwei Deutsche (unter der Regie von Dedi Baron), wurde gebeten, kurze Theaterstücke über den Umgang mit dem Gedenken an die Schoah in beiden Völkern zu schreiben. Nicht über die Schoah, sondern über die Erinnerung, die in ihren Körperzellen eingeprägt ist. "Wir bekommen die Schoah direkt in unsere Venen eingespritzt. Wie eine Impfung, die eine Narbe auf dem Arm hinterlässt. Nur, dass es bei uns die Seele ist", sagt ein Israeli seiner deutschen Geliebten. Es stellt sich heraus, dass er, als er sie kennenlernte und bevor er sich in sie verliebte, davon fantasiert hatte, einen weiblichen Nazi zu ficken. Sie sagt ihm, dass er der jüdische Held hätte sein können, "der weibliche Nazis fickt…, der Wiesenthal der Hoden." Er erzählt ihr, dass er, wenn er mit ihr zusammen ist, das Gefühl habe, das gesamte jüdische Volk in Israel und in der Diaspora stehe hinter ihm und diskutiere darüber, ob er ihn hineinschieben soll oder nicht. Und so geht es weiter: alles, was nicht gesagt werden darf, begleitet von dem wiehernden Gelächter Traumatisierter, die auf dem Weg der Genesung sind (welch eine Illusion).

Alles, was nicht gesagt werden darf. "Post-Trauma". Foto: Gerard Alon

Der Titel des Stückes: "Korrektur". Der Regisseur: Yariv Gottlieb. Ich habe keine Ahnung, ob die Theaterautoren darum gebeten wurden, wilde Komödien zu schreiben, doch die meisten von ihnen taten dies auf ganz natürliche Weise. Nur zwei von ihnen (ein Deutscher und eine Israelin) schrieben einen lyrischen Text, der sich nicht wirklich in den Gesamtcharakter der Veranstaltung einfügt und eigentlich verschluckt wird. Bei den übrigen Stücken handelt es sich um geistreiche Ping-Pong-Komödien, zumeist begleitet von schauderhaften Witzen über die Schoah, die erbleichen lassen. "Wie soll man sich befreien und zugleich an die nachfolgenden Generationen weitergeben?", fragt einer der Israelis in einem der Stücke, und dies ist – unter den Schichten des Entertainments, des Kabaretts und der Clownerie – die innere Stimme dieser Produktion. Die Figuren versuchen, in der Begegnung zwischen der israelischen und der deutschen Seite eine intime und persönliche Erfahrung zu erleben, doch es ist unmöglich, sich von dem nationalen, historischen Ereignis freizumachen. Denn was ist "Post-Trauma", wenn nicht ein Theater der Dämonenaustreibung, eine rituelle Reinigungszeremonie. Diese Reinigung ist so schmerzhaft wie ein Einlauf und daher ist es nötig, bei der zu einem Viertel pornographischen Demonstration eines Geschlechtsaktes zwischen einer deutschen Angeklagten und einem jüdischen Ankläger zuzusehen. Daniel aus dem ersten Stück ("Korrektur") bumst die deutsche Anna auf ihren Wunsch hin von hinten auf einem Stuhl. Dies ist nur ein Spiel und sie sollte gepeinigt und gedemütigt aussehen und um Verzeihung bitten. "So demütige mich also, lasst uns nett sein zu dem jüdischen Volk."

Wir wissen nicht, ob die Kopulierenden geheilt werden, und schon geht es über zu dem Duett "Deine Arbeit ist nicht meine Arbeit" (Noa Lazar), das von einem Juden und einer Deutschen gesungen wird. Er wolle eine intime Sprache finden, sagt der Mann zu ihrer Beziehung, doch zwischen ihnen stünden – und hier tragen sie in lieblichem Gesang die Namen vor: – "Treblinka, Sobibor, Dachau, Aktion, Mengele" und derer mehr. Die Kluft zwischen dem Text und dem Vortragsstil ist haarsträubend – und unterhaltend, Verzeihung. Die Vorstellung findet auf einer Bühne statt, auf der viele Stühle verschiedener Art in unterschiedlicher Weise aufgestellt sind (eine poetische Metapher für die unterschiedlichen Menschentypen? Für die Abwesenheit von sechs Millionen Juden? Es könnte nahezu alles sein.) Die Beleuchtung, die Bewegung und die Kostüme tun ein Übriges. Wir fühlen uns wie in einem Zirkus oder in einem Kabarett: ein rhythmischer Tanz, ein maßgeschneidertes Jacket mit schwarz-weißen Streifen und einem gelben Blümchen, ein orientalisches Scheherazaden-Gewand, ein beleibter, nackter Körperteil.

Plötzlich die surrealistische Szene eines Gruppentanzes wie aus einem Hollywood-Musical. Plötzlich eine Standup-Comedy. Und eigentlich ist all dies eine clowneske Veranstaltung, ein Gruppen-Klamauk, der orthodoxen Juden nur zu Purim erlaubt ist. Selbst die Kirche des Mittelalters gestattete zirkusartige Veranstaltungen, Unterhaltungen die auf geheiligte Mythen abzielten, weil sie wusste, dass gelegentliches "Dampf-Ablassen" die Erhaltung des geheiligten Mythos ermöglicht. Und so geschieht es, dass das Nationale Theater (mit Unterstützung des Goethe-Instituts) uns einen Kreis von Spöttern serviert, der zu vulgärer Sprache und wilder Phantasie verpflichtet. Der Schauplatz der Ketzerei verlagert sich von den alternativen Zeremonien des Holocaustgedenktages der letzten Jahre auf die zentrale Bühne, und der Himmel stürzt nicht ein.

Ein deutsches Paar kommt nach Israel, weil die Schwester der Frau im Begriff ist, einen Israeli zu heiraten (ein brillianter Text von Thomas Melle). In einer Szene im Speisesaal des Hotels, bei der man vor Lachen fast erstickt, streitet sich das Paar. Worüber? Über das fehlende Interesse des Ehemannes an Jazz, der Musik, die am selben Abend auf einem Konzert gespielt werden soll. Und ein belangloses Wortgefecht wird zu einem Paranoia-Anfall des Ehemannes (Tomer Sharon in einer virtuosen Darbietung).

Er beschuldigt seine Frau, dass wegen ihres Geschreis nun alle wüssten, dass er Jazz hasse und man ihn jeden Moment beschuldigen würde, dass er ein Nazi sei, der sämtliche Jazzfreunde in die Gaskammern schicken wolle. Der Anfall steigert sich und nimmt die nicht logische Wendung einer Psychose an, die in der Mitteilung des Deutschen gipfelt, dass er für Rassismus ohnehin ein ultimativer Beschuldigter sei. Sprachliche Brillianz, furioses Tempo und ausgezeichnete schauspielerische Performance veranschaulichen das Dilemma der deutschen Seite und machen Lust, ein langes Theaterstück bei Melle zu bestellen.

Die verbesserte jüdische Lösung
Und weiter geht es auf der Bühne mit einem machoistischen Israeli, der auf einer Straße in Deutschland über einen Deutschen herfällt, weil er meint, dass dieser mit seiner Frau anbändelt und womöglich imstande ist, sie fertigzumachen. Der ramponierte Deutsche lässt die Schläge wehrlos über sich ergehen – er ist nahezu wie ein Opferlamm. Ebenso wie der höfliche deutsche Polizist, der im letzten Stück der Veranstaltung auftritt und es zulässt, dass die Israelis über ihn herfallen und dies, obwohl einer von ihnen lächelnd an den Reichstag gepinkelt hat und dabei von einer Kamera erwischt wurde. Die deutsche Nettigkeit wird in dem Stück, nach dessen Titel "Posttrauma" (Tal Schiff) die Veranstaltung benannt wurde, von einem der Clowns erklärt, die an der Bar sitzen und überlegen: "Seine Passivität resultierte aus der Verkehrung der Rollen infolge verdrängten Regressionsverhaltens", und der zweite Clown sagt: "Klassischer Fall von dritter Generation". Ja: die Veranstaltung lacht auch über sich selbst.
Das kurze Stück, das den Abend beendet (das ausgezeichnete "Gedächtnisspiel" von Noa Lazar), versammelt eine Gruppe von Schauspielern auf der Bühne, die sich in Deutschland auf einen Gedenkabend vorbereiten, der in Gegenwart des Kanzlers stattfinden soll. Sie sind unzufrieden mit dem Stoff, den sie von zuhause mitgebracht haben und der Regisseur bemüht sich, neues Material aus ihnen herauszuholen. Sie brechen in eine Improvisation aus, in der ein Jude und eine Deutsche sich 65 Jahre lang gemeinsam mit derselben Last abrackern und auf dem Rücken eine riesengroße Tasche mit Henkeln tragen, die sie dem Vertreter eines jeden Volkes auf die Schulter bürden. Dies führt zu körperlichen Verwicklungen. Sie probieren weitere Sachen aus dem Arsenal unserer aller kollektiven Erinnerungen (zum Beispiel ein guter Deutscher, der im Holocaust eine Jüdin rettet, eine amüsante Kitsch-Improvisation).
Mittendrin betritt der von mir bereits erwähnte deutsche Polizist mit den einfühlsamen Manieren die Szene und setzt sich für die kleine Schar ein, bis zu dem Ausbruch einer der Schauspielerinnen, die erwischt wird, weil sie unter Drogen steht und von dem Regisseur dafür ausgeschimpft wird, dass sie bekifft und emotional unbeteiligt ist. Sie bricht in einen Monolog aus, der zu der neurotischen Beziehung zwischen uns und Deutschland und der Schoah nahezu alles sagt, und das Publikum wiehert vor Lachen. Zum Beispiel: "Stimmt, ich bin eine Leugnerin der Schoah. Okay? Es ist besser zu rauchen, glaub' mir, als mit den Bildern der Leichenhaufen nackter Muselmänner herumzulaufen, die man uns ab dem Alter von vier Jahren in den Schädel gehämmert hat. Wozu soll das gut sein? Macht mich das zu einem tiefsinnigen, besseren Menschen? Nein! Damit wird mir nur Stacheldraht in den Kopf getrieben, der mich daran hindert, normal zu leben. Doch weshalb sollte ich normal leben? Ich bin eine Elende, die Tochter einer Elenden und wehe mir, mich von meinen Genen zu entfremden und das Leben zu genießen, denn das Leben ist eine ständige Krisensituation, und mal ist es Hitler und mal ist es Achmadinijad und mal ist es Achaschwerosch , alle sind Feinde und man muss auf der Hut sein… Welch ein Glück, dass es die iranische Bedrohung gibt, so gibt es wenigstens etwas, wofür es sich lohnt, wählen zu gehen und etwas, das uns als Juden vereint – die verbesserte jüdische Lösung."
Mit den Planungen zu Yad Vashem wurde im Jahre 1942 begonnen, als die Schoah noch tobte, so enthüllt Tom Segev in seinem Buch "Die siebte Million". Die politische Führung erkannte, dass die Erinnerung angesichts des furchtbaren Zerstörungsaktes, der dem jüdischen Volk angetan worden war, zu einem verbindenden Schmelztiegel werden könnte. Man überhäufte die jungen Leute mit Schoah, und sie fühlten sich wie Gedächtniskerzen, bis sie sich in den 80-er Jahren erhoben und baten, man möge sie befreien von dem, was wie ein Erinnerungskult wirkte (wie in dem Film "Jiskor – Sklaven der Erinnerung" von Eyal Sivan und in der Produktion "Arbeit macht frei" des Akko Theater Zentrums). Sie brachten vor, dass sie durch die obsessive Einschärfung der Schoah zu Menschenhassern würden, besonders Fremden gegenüber, und zu erbarmungslos gegenüber jedem, der sie bedrohte. Inklusive einer Andeutung oder expliziten Äußerung des Begriffs "Judonazis". Das Tel Aviv-Düsseldorfer "Post-Trauma" erkennt, dass es vor der Erinnerung kein Entkommen gibt und beschließt, aus lauter Verzweiflung durchzudrehen oder sich zu betrinken oder alles über den Haufen zu werfen.
In künstlerischer (und auch schriftstellerischer) Hinsicht ist die Veranstaltung in ihrem Niveau nicht einheitlich, die Bühne bleibt zuweilen zu leer für das Auge und es wäre gut gewesen, wenn man sich mit weniger Stücken und mehr Liedern begnügt hätte. Zuweilen ist es ermüdend. Doch das Habima Theaters wagt hier einen kühnen Schritt. Die dritte Generation beider Völker nach der Schoah ist auf der Suche nach irgendeinem Wunder, mit dessen Hilfe es möglich wird, sich zu erinnern, aber auch zu vergessen. Sie fürchtet sich zuzugeben, dass sie – wenn sie sich nicht erinnert – vergessen könnte. Und sie weiß, dass nicht sie es ist, die ihre Erinnerung diktiert, sondern die offiziellen, herrschenden Instanzen.
Die Veranstaltung "Posttrauma" endet mit einem schauderhaften Gruppengesang im Stil der "Königin der Badewanne" von Hanoch Levin (der meiner Meinung nach überflüssig ist, da es ihm an ausreichendem Esprit fehlt). Vor dem Hintergrund einer Sirene bitten die Sänger: "Möge das Volk Israel seine Söhne und Töchter vergessen, die auf der Straße, von einem Balkon, in der Badewanne oder in irgendeiner Schlacht gefallen sind", und die Liste setzt sich in überraschender Weise fort bis hin zum "Möge es die Schabatzeitung vergessen und das Angenehme, das er mir auf dem Rücken bereitete" und mehr. Was bedeutet, dass wichtig hier nicht das ist, was man vergessen will, sondern es vielmehr um die flehende Bitte geht, die Erinnerung zu verdünnen mit all dem, was in ihr existiert. Sehr menschlich einerseits, aber das Gefühl der Abscheu gegen die Bürde der Erinnerung, das hier und da aus den Texten herausklingt, lässt eine gewisse Furcht aufkommen. Wird, wenn alle direkten Zeugen der Schoah von der Welt gegangen sein werden, eine Art korrigierenden Vergessens einsetzen? Wohin wird die Auflehnung gegen die überschüssige kollektive Erinnerung führen? Und wer wird die Zauberformel finden: sich befreien und zugleich weitergeben?

Aus dem Hebräischen von Yakhin HaEvri